Deutsche Partner



Israels High-Tech-Wirtschaft sucht deutsche Partner
 

von Vardina Hilloo 

 Einige große deutsche Unternehmen – wie etwa Siemens, DaimlerChrysler,
Volkswagen, SAP, Deutsche
Telekom, RWE, Bayer AG – haben in Israel
Niederlassungen.
Sie investieren dort in größerem Rahmen und führen bereits
seit langem Spitzentechnologie nach Deutschland
ein. Und dennoch nutzen
viele deutsche Unternehmen
das Potenzial zur Kooperation mit israelischen
Firmen viel zu wenig.
 Die Frage stellt sich zudem: Warum weiß man in
Deutschland
kaum etwas über das High-Tech-Land Israel, auch innerhalb
von Wirtschafts- und Finanzkreisen und sogar im IT-Sektor?  Aufgrund
meiner langjährigen Erfahrung und durch
zahlreiche Gespräche, die ich
mit Experten geführt habe,
stelle ich eines immer wieder fest: die Leute
schauen ganz
erstaunt, wenn sie hören, dass Israel eine Weltmacht in
Technologie und ein Finanzland» der Extraklasse ist.
Warum gibt es
kaum Engagement kleinerer und mittlerer
Unternehmen mit israelischen
High-Tech-Firmen,
um längerfristig die eigene technologische Basis zu verstärken?


«Deutsche Firmen tun sich indessen schwer:
man prüft, man überlegt, man traut sich nicht so recht und andere
machen
das Geschäft!», wie Horst Teltschik,
Präsident der «Deutsch-Israelischen
Wirtschaftsvereinigung»
die Situation schildert. Warum vernachlässigt ein
so bedeutsames Bundesland
wie Nordrhein-Westfalen zum Beispiel die
wirtschaftliche Zusammenarbeit
mit Israel und verschwendet damit
Ressourcen, im Gegensatz zu Skandinavien,
England, Spanien oder Holland?                   
Warum sagte mir vor kurzem ein hoher Repräsentant der
deutschen Wirtschaft,
dass Israel in Deutschland immer noch als das
«Land der Jaffa-Orangen» 
bekannt sei, während ein
holländischer Kollege demgegenüber feststellte,
dass
man in den Niederlanden Israel viel öfters in Verbindung mit
High-Tech-Entwicklungen
und  mit fortschrittlicher, medizinischer
Forschung zu bringen versteht und in diesen Zusammenhängen an
Israels
Nanotechnologie, an Innovationen und ähnliches mehr denkt?

 Dabei hat der wirtschaftliche Schwerpunkt Israels sich schon vor mehr
als zehn Jahren von den «Orangen» wegentwickelt, hin zum
High-Tech-Land.
Früher dominierten landwirtschaftliche Exporte.
 Heute belegt Israel einen
weltweiten Spitzenplatz in der
High-Tech-Entwicklung. Inwieweit wissen
die Deutschen
überhaupt, dass in Israel – nach den USA – zurzeit die
meisten
High-Tech-Firmen gegründet werden und dass über 3000 High-Tech-Firmen
dort existieren und sich Israel so als weltweit
führendes Innovationszentrum
etabliert hat?
 Gleichzeitig stellt man sich die Frage, warum die Israelis nicht
genügend tun, um die deutsche Wirtschaft auf diesen
Umstand aufmerksam
zu machen, mehr Medienpräsenz
zu zeigen anstatt sich nur auf den
amerikanischen
Markt zu konzentrieren?  Nach Aussagen von Mitgliedern
internationaler Abteilungen
der Industriellen­-Organisationen sei die Neigung
deutscher
Unternehmen – im Vergleich mit Firmen vor allemaus
den USA – zu Investitions- und Kooperationsprojekten
in Israel noch
relativ gering. Damit bleiben zahlreiche
Chancen zu beiderseits vorteilhafter
Kooperation imgrunde
noch ungenutzt.Unter den Gründen für die Zurückhaltung
deutscher Unternehmen
vermutet man das vielfach negative Medienbild von Israel,
welches geopolitische Risiken übergroß erscheinen lässt.Berührungsängste und
Skepsis werden so gefördert,
wenn keine «außermediale» Aufklärung geleistet
wird.
 Man denkt stattdessen, bezüglich Israel, eher an«Terror»
, «Anschläge», «Tote» – Begriffe, die einem zuerst
in den Sinn kommen.

Viele können sich überhaupt nicht vorstellen,
dass in den Industriezonen
Israels die Produktion ganz
«normal» verläuft. Sogar während des Krieges
im letzten
Jahr mit dem Libanon war das so. Zudem scheinen manchedeutsche
Unternehmen zu befürchten, ein Engagement in
Israel werde ihre
Geschäftsmöglichkeiten in arabischen
Ländern und in der islamischen
Welt schlechthin beein­trächtigen.
 Eine für ausländische
interessante Möglichkeit
ist die Beteiligung an sogenannten «Start-Ups»
oder deren
Übernahme. «Start-Ups» spielen in Israel eine besondersgroße
Rolle und trugen 2006 zu 0,9% des
Bruttoinlandprodukts bei. Allerdings
bieten auch produzierende
High-Tech-Betriebe Kooperations­möglichkeiten
an.
Hierbei sticht der Elektroniksektor unter besonderer Betonung der
«IuK-Technologie» (Informations- und
Kommunikationstechnologie) hervor.
Rund drei Viertel
der industriellen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit
entfallen auf elektronische Bau­elemente, Tele­kommunikationsausrüstungen
sowie auf Mess-, Regel- und Kontrolltechnik und auf dieErforschung
wissenschaftlicher Geräte, auf Wasser- und Informationstechnologie.
 
Der High-Tech-Bereich wird auf absehbare Zeit diewichtigste Adresse
für ausländische Partner bleiben. Das hat nicht nur mit
Qualität, sondern
auch mit Quantität zu
tun. Im Jahre 2007 entfallen auf den
High-Tech-Sektor
etwa 25 bis 27% der Industrieerzeugung.
Der Technologiesektor trägt sogar
zu 80% des Industriewachstums
bei. In weniger technologieintensiven
Branchen können sich ebenfalls Ko­operationsmöglichkeiten ergeben,
doch werden sie weitaus dünner gesät sein.

Wie ausveröffentlichten Zahlen der Deutschen Bundesbank für 2007
hervorgeht, lag der Bestand deutscher Direktinvestitionen in Israel im
Jahre 2005 bei 125 Mio. Euro. Damit war Israels
Gewicht als
Investitionsstandort für deutsche Unternehmen
geringer als dasjenige
der Nachbarländer Ägypten (mit 421 Mio. Euro)
und Syrien (mit 205 Mio. Euro).
 Über 40 israelische Firmen haben sich
bislang in Deutschland
niedergelassen, darunter über 20 High-Tech-Unternehmen
wie
Checkpoint, Aladdin, Magic Software, Orbotech, Babylon, Iscar, Orad.
 VW setzt für die Entwicklung neuer Modelle am virtuellen
Reisbrett
digitale Simulationstechnologie von «Orad» ein.
 «Orad ist für die Gestaltung
digitaler Studiowelten bei fast allen
deutschen Fernsehsendern zuständig und
peppt
weltweit Sportsendungen auf», wie Horst Teltschik auf einer Konferenz
im September berichtete.

«Vodafone und T-mobile nutzen israelische CRM- und
Abrechnungstechnologien und deutsche Autobauer setzen
verstärkt
auf israelische Zulieferer von Magnesiumbauteilen.
BMW bezieht Teile
des Lenksystems der 1er und
neuen 3er-Serie aus Israel. Nicht mehr
wegzudenken aus
unserem Leben sind Handys und Computer: das erste Handy wurde
bei „Motorola Israel“ gebaut, und die Voice-Mail-Technologie

stammt ebenfalls aus Israel.»
 Immer mehr israelische Unternehmen
sehen das große
Potenzial Deutschlands. Die Angst, die man früher
vor Deutschland hatte ist deutlich geringer geworden, man Blick in
die Zukunft. Wenn nun auch unterschiedlichste
deutsche Firmen
mehr in Israel tätig würden und dort in
Forschung und Entwicklung
investierten, könnte man
wirtschaftliche Synergien besser nutzen.  
Vardina Hilloo gründete 2005 das in Deutschland bislang einzigartige
deutsch-israelische Wirtschaftsportal
«Israfocus». Sie war Korrespondentin
für israelische
Medien in Kairo, Israel und Brüssel und arbeitete u.a.
für das israelische „Globs“, und das deutsche «Handelsblatt» sowie für
«Financial Times Deutschland».
Sie berichtet für den israelischen
Radiosender „Kol Israel“
und auch für  Fernsehsender «Channel 2»
über politische
und wirtschaftlich relevante Themen in Europa.

Jüdische Zeitung 5 November 2007 Berlin
http://www.j-zeit.de/search/?q=vardina+hillooÂ